Künstliche Intelligenz macht den Menschen zum Mit-Schöpfer innerhalb der Schöpfung, nicht zu ihrem Ursprung. Sie erweitert seine Gestaltungskraft, aber nicht seine göttliche Autorität. Der Auftrag bleibt derselbe wie im Alten Testament (Genesis): Die Welt zu bebauen und zu bewahren – auch die digitale. KI ist Werkzeug in diesem Auftrag, kein neuer Gott.
1. Zwischen Genesis und Algorithmus
Am Anfang steht das Wort – und heute vielleicht der Code. Beides sind Formen von Schöpfung: Das göttliche Wort ruft die Welt ins Dasein, der menschliche Code ruft digitale Welten hervor. Doch während Gott «ex nihilo» schafft, also aus dem Nichts, erschafft der Mensch nur «ex materia» – aus dem, was schon da ist: Daten, Muster, Erfahrungen. Künstliche Intelligenz erzeugt Bilder, Texte, Musik. Aber sie kennt keine Absicht, kein Warum. Sie berechnet Wahrscheinlichkeiten, wo der Schöpfer Sinn stiftet.
Zwischen Genesis und Algorithmus liegt ein Abgrund – aber auch eine Verwandtschaft. Beide ordnen Chaos zu Form. In der Bibel heißt es: «Und Gott sah, dass es gut war» (Genesis 1,10). Maschinen sehen nichts und urteilen nicht über Gut oder Böse. Doch der Mensch, der sie baut, trägt diese Verantwortung. Die moderne Schöpfungsgeschichte spielt also im digitalen Raum weiter: Nicht Gott wird ersetzt, sondern der Mensch wird geprüft – ob er mit seiner Schöpfung weise umgeht oder sich in ihr verliert.
Wenn Maschinen Texte schreiben oder Kunst erzeugen, entsteht kein «neues Leben», sondern ein Echo menschlicher Ideen. Der Mensch bleibt Urheber, auch wenn er Werkzeuge nutzt, die er kaum noch versteht. Hier beginnt die Ethik: Die Würde des Menschen (Artikel 1 Charta der Grundrechte der EU) und die Prinzipien der EU-Ethikleitlinien für vertrauenswürdige KI – Transparenz, Verantwortung, Nachvollziehbarkeit – gelten auch im digitalen Schöpfungsraum. Zwischen Genesis und Algorithmus entscheidet sich, ob Technik dient oder herrscht.
